Mit sich ins Reine kommen

Umgang mit Körperlichkeit

Zärtlichkeit

Zärtlichkeit hat für die Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr große Bedeutung. Das gilt vor allem für Frauen, aber auch für Männer. Immer intimer werdende Berührungen steigern die innere Spannung und den Wunsch nach mehr. Das gilt jedoch nicht automatisch. Deshalb ist es wichtig, dass die Partner aufeinander achten, sich aber auch Signale geben, wie welche Berührungen empfunden werden. Wenn etwas als aufdringlich empfunden wird, dämpft dies ebenso die Erregung wie ängstliche Zurückhaltung.

Menschen können sich in ihrem Bedürfnis nach körperlicher Nähe sehr unterscheiden, auch in ganz neutralen Zusammenhängen. Manche umarmen sich bei jeder Begrüßung, andere schätzen die Distanz. Grundsätzlich ist das in Ordnung. In der Sexualität kann ein zu starkes Distanzbedürfnis jedoch hinderlich sein. Mögliche Gründe dafür sind eine Störung in der Beziehung, aber auch eine Beeinträchtigung der Nähe-Distanz-Regelung bei einem der Partner, die qualifizierter Beratung bedarf. Auch ein als lästig empfundenes übersteigertes Bedürfnis nach körperlicher Nähe kann Ausdruck einer seelischen Problematik sein. 

Hygiene

Wenn man sich körperlich nahe sein will, muss der Körper als angenehm empfunden werden. In Sachen Körperhygiene sollte es auch nach Jahrzehnten Ehe keinen Nachlass geben! Sauberkeit beugt auch Infektionen vor. Problematisch sind zum Beispiel Darmkeime, die beim Geschlechtsverkehr in die Scheide der Frau gelangen und eine Blasenentzündung auslösen können. Düfte können erregend, ein zu viel oder ein bestimmter Duft aber auch störend wahrgenommen werden. Deshalb sollte man den anderen gelegentlich auch danach fragen und Düfte auf keinen Fall einsetzen, um sich das Duschen zu ersparen.

Ich find's krass, wie viele Männer sich gehen lassen, wenn sie verheiratet sind. Frauen achten glaube ich mehr auf sich, vielleicht mit Ausnahmen. Wobei ich auch keine Lust habe, mich aufzutakeln, wenn sich mal die ersten Fältchen zeigen. Man möchte einfach gern nah am andern dran sein können. Und das geht eben nicht zum Nulltarif.

Ariane, 27

Körpergerüche können zwar auch erregende Wirkungen haben, ausgeprägter Schweiß-, Mund- oder Fußgeruch werden aber den heißesten Liebesrausch zerstören. Männliche Behaarung kann von Frauen verschieden erlebt werden. Auch danach kann man ganz einfach fragen, damit sie nicht das Pieken der Bartstoppeln jäh zurückschrecken lässt, anstatt sie von seiner Männlichkeit zu begeistern.

Überhaupt ist Körperbehaarung ein Thema, das sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, von Männern und Frauen. Viele folgen gegenwärtigen Trends der Intimrasur, andere lehnen sie ab. Deshalb sollte man darüber reden und sich auch klarmachen, welchem Modediktat man sich oder sein Gegenüber womöglich unterwirft. Mehr dazu in unserer Zeitschrift zum Thema Intimrasur.

Es kann sein, dass er es mag, wenn sich ihre Fingernägel leicht in seinen Rücken krallen, aber Mangel an Pflege kann einfach auch nur zu unangenehmen Kratzern führen. Genauso kann die lustvolle Stimulation des weiblichen Kitzlers jäh beendet werden, wenn seine zu langen oder scharfkantigen Fingernägel Verletzungen in ihrem Intimbereich auslösen.

Krankheiten und Behinderungen

Eine besondere Herausforderung ist der Umgang mit körperlichen Einschränkungen und Behinderungen. Besonders dann, wenn genitaler Geschlechtsverkehr gar nicht möglich ist. Aber auch in diesem Fall gibt es Möglichkeiten der sexuellen Erregung und Befriedigung. Es ist bewegend, wie erfinderisch manche Paare darin sind, sich trotz solcher Handicaps gegenseitig sexuell zu beglücken. Mehr dazu in unserer Zeitschrift „Liebe kennt kein Handicap“.

Die eigene Lerngeschichte

Wir alle nehmen unsere Vergangenheit mit ins Bett. Dazu gehört z. B.

  • welchen Umgang mit Geschlecht und Sexualität ich insgesamt in meiner Herkunftsfamilie erlebt habe: War die Atmosphäre unbefangen, oder war das Thema tabu, angst- bzw. schambesetzt oder belegt mit schwerwiegenden Verboten? Waren die Geschlechter gleich wertvoll?
  • welche Erfahrungen ich mit dem Thema gemacht habe (z. B. mit Geschwistern, anderen Kindern, Erwachsenen)
  • wann und wie ich über Sexualität aufgeklärt wurde und welche Sprache ich für diesen Lebensbereich entwickelt habe: Habe ich überhaupt eine Sprache dafür? Ist sie vieldeutig und verhüllt oder klar? Eher vulgär oder feinfühlig? Wertschätzend oder abwertend?
  • welche sexuellen Erfahrungen ich mit mir (Selbstbefriedigung) bzw. mit anderen gemacht habe: Habe ich Sexualkontakte gehabt, an die ich nur ungern zurückdenke, oder schmerzt mich eine zerbrochene Intimbeziehung immer noch? Fühle ich mich unerfahren, weil ich noch nie Partnersex hatte? Wurde ich wegen sexueller Handlungen an mir (Selbstbefriedigung) oder in einer intimen Paarsituation beschämt?
  • welche Urteile ich zu dem Thema verinnerlicht und selbst gefällt habe (z. B. über das Sexualleben anderer, über ungeplante Schwangerschaften, Alleinerziehende oder Geschiedene, über die allgemeine Moral)

Niemand kann Dinge ungeschehen machen oder die Zeit zurückdrehen. Deshalb will all das als die eigene sexuelle Lerngeschichte betrachtet werden, auch das Beschämende oder Schmerzliche. Alles Schuldhafte und Misslungene darf ich aus der Perspektive des Glaubens unter der Gnade der Vergebung wahrnehmen. Auf dieser Grundlage kann es aber auch hilfreich sein, die o. g. Fragen einmal für sich zu reflektieren. Dinge, die ich als prägend für mich entdeckt habe, sollte ich auch mit meinem Partner besprechen, vor allem dann, wenn ich sie für meine eheliche Sexualität als hemmend erlebe.

15-20% der Frauen und ca. 5% der Männer haben in Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch erlebt. Sie alle haben erfahren, dass ihre Grenzen brutal missachtet wurden. Dies kann sich erheblich auf die Bereitschaft zu partnerschaftlichem Sex auswirken und darauf, wie er erlebt wird. Nicht selten haben Betroffene Angst davor, sind gar nicht offen für die sexuelle Begegnung oder entwickeln Ekelgefühle. Auch körperliche Reaktionen (z. B. Scheidenkrampf) kann die Folge sein. Umgekehrt liegt jedoch keinesfalls bei jedem Scheidenkrampf eine Missbrauchshistorie vor. Hier ist eine geeignete Beratung der beste Weg, solche Erfahrungen zu bewältigen und offene Fragen zu klären.