Die Ehe gestalten

Vielfalt der Begegnungsebenen

Dem Partner sexuelle Erfüllung zu schenken gehört zum Liebevollsten und Größten, was Eheleute füreinander tun können. Gelingt das, wird auch die Beziehung insgesamt gestärkt. Gemäß dem guten biblischen Maßstab „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ gilt es dabei, auch die eigenen Bedürfnisse nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern eine Balance anzustreben.

Guter Sex fällt nur ausnahmsweise einfach vom Himmel. Vielmehr kann das Begehren von vielen Dingen geweckt und genährt werden, die zu einer lebendigen Beziehung gehören, z. B.

  • Pflegen gemeinsamer Interessen (Hobbys, Spiel, Sport, Ausflüge u. a.)
  • besondere Erlebnisse (z. B. Konzert, Theater, Kino, Feste, Reisen)
  • gemeinsam gemeisterte Herausforderungen (Hausbau, Kindererziehung, bewältigte Krisen oder Gefahren, gelingendes Engagement im gemeinsamen Geschäft oder im Ehrenamt)

Andererseits ist es wichtig, dass jeder Partner auch seine eigene Sphäre hat, in der er mit anderen Menschen zusammen oder für sich allein sein kann. Denn die gleichen Dinge können ein Paar auch auseinanderbringen.

Das liegt nahe, wenn …

  • ein Partner dominiert und der andere sich selbst immer zurücknehmen muss bzw. nur widerwillig mitmacht.
  • mindestens ein Partner sich selbst stets in den Mittelpunkt rückt oder den anderen abwertet.
  • mindestens ein Partner stets die Schuld beim anderen sucht, wenn etwas misslingt oder keinen Spaß macht.
  • die Partner gar keine eigene Gestaltungssphäre haben.

Positive Grundhaltungen

Entscheidend für eine gute Paarbeziehung ist die Grundhaltung, die die Partner zueinander haben. Wer Jahre und Jahrzehnte eng zusammenlebt, verliert mitunter die Wertschätzung und den Respekt vor dem anderen. Damit wird aber nicht nur das gegenseitige Vertrauen beschädigt, auch die erotische Anziehungskraft leidet darunter. Ein Mensch, den ich verachte oder der mich verachtet, wird nur ausnahmsweise in mir ein Begehren nach intimster Gemeinschaft wecken.

Am Anfang ist man ja total verliebt und deshalb auch nett zueinander. Aber wenn sich dann im Alltag die Macken herausstellen ... Wenn ich am andern bloß das liebe, was mein Leben bereichert, aber nicht das, was mich auch anstrengt, wird es nicht wirklich gehen. Also das ist auch eine Herausforderung, den ganzen Menschen zu wollen und nicht nur seine Schokoladenseite.

Maria, 32

Die Haltung zum anderen steht in einem engen Zusammenhang mit dem Verhältnis, das ich zu mir selbst habe. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl tun sich oft auch schwer damit, andere zu schätzen. Andernfalls würden diese ja als Bedrohung für das eigene Ich erscheinen. Dann wird versucht, den anderen zu dominieren und herabzuwürdigen. Mangelnde Selbstachtung kann auch dazu führen, dass man sich dem anderen in übertriebener Weise unterordnet, sich an ihn „wegwirft“, den anderen überidealisiert und sich selbst permanent abwertet. Auch das kann keine Grundlage für eine erfüllende Beziehung auf Augenhöhe sein. Manchmal kann man solche seelischen Problemlagen nur mit Hilfe qualifizierter Beratung hinter sich lassen.

Wichtig ist, sich selbst wie auch dem Partner Grenzen und Defizite zuzugestehen. Der Anspruch auf Perfektion ist ein Beziehungskiller erster Güte. Eine so enge und intensive Beziehung zu leben, wie das für die Ehe typisch ist, lernt man erst mit der Zeit. Man braucht Geduld mit sich und dem anderen und Lernbereitschaft bis ins Alter. Über eigene Schwächen lachen und die des anderen gelassen annehmen zu können gehört zum Gesündesten, was Menschen für ihre Seele tun können. Jedenfalls solange es sich wirklich um menschliche Schwächen und nicht um zerstörendes Fehlverhalten handelt.

Miteinander reden

Gesunde Grundhaltungen schlagen sich in einer konstruktiven Kommunikation nieder. Auch nach vielen Jahren gemeinsamen Lebens, und im Wissen um seine intimsten Eigenheiten, sollte die Würde des anderen uneingeschränkt gewahrt werden. Je mehr man voneinander weiß, desto leichter kann man den anderen verletzen, wenn dieses Grundprinzip aus dem Blick gerät.

Zu den Fragen, die zwischen den Partnern geklärt sein sollten, gehört die nach der Empfängnisregelung. Wir werben dafür, Sexualität nicht prinzipiell von der Frage nach Kind und Familie zu isolieren. Aber wann Kinder gezeugt werden und wie viele, das kann in gewissen Grenzen verantwortlich gestaltet werden. Sexualität ist nicht nur zu Fortpflanzungszwecken legitim, sondern sie gehört zu den wesentlichen Aspekten einer Ehe, solange diese besteht. Zu den verschiedenen Methoden gibt es ein eigenes Handout (hier herunterladen).

Ohne Kommunikation kann man nicht wirklich wissen, was der andere will. Jeder deutet seine eigenen Bedürfnisse in den anderen hinein oder folgt irgendwelchen Klischees. Man bleibt unsicher, oder das Liebesleben wird stereotyp. Dann macht man immer dasselbe, denn was einmal gut war, wird wohl immer das Richtige sein. Das aber führt auf Dauer zu Langeweile, weil man eh schon weiß was kommt. Zudem können sich sexuelle Bedürfnisse auch verändern. Deshalb ist es hilfreich, sowohl den Mut als auch die Sprache zu gewinnen, um auch über intimste Bedürfnisse zu reden. Sex ist kein Stummfilm!

Kommunikation ist z. B. notwendig über ...

  • unterschiedlich starke oder verschieden gelagerte sexuelle Bedürfnisse (z. B. Häufigkeit von Sex, Dauer des „Vorspiels“, bestimmte Vorlieben, die der Partner nicht teilt, z. B. orale Befriedigung)
  • das, was erregt und das, was Erregung eher dämpft (z. B. welche Berührungen sind angenehm, welche unangenehm oder sogar schmerzhaft)
  • die Rahmenbedingungen (z. B. Licht an oder aus, Bedeutung von Kleidung: Was wird getragen, wann von wem ausgezogen?)
  • als enttäuschend oder störend empfundene körperliche Reaktionen (z. B. wenn sich kein Orgasmus einstellt, körperliche Beschwerden hinderlich werden, Wadenkrampf, Harndrang etc.)
  • begleitende Gefühle (positiv: Euphorie, Bewunderung, Glücksgefühle, Zuneigung – negativ: Scham- oder Schuldgefühle, Minderwertigkeitsgefühle, das Gefühl von Routine, Langeweile oder sexuellem Desinteresse)

Wahr ist aber auch: Man will und muss nicht über alles reden und alles wissen. Sex lebt auch vom Geheimnis, von der Spannung des Fremden und Unbekannten, das auch erotisierend wirken kann. Dieses Geheimnis will genossen, nicht zerredet werden. Auch dies kann und darf ein Paar lernen: Worüber wollen und sollten wir reden, und wo verstehen wir uns gerade im Schweigen?