Schritte aus der Sexsucht

Alles beginnt mit Verantwortungsübernahme

Viele Süchtige sind versucht, die Verantwortung an andere zu delegieren. Manchmal sind das die Umstände, die in eine Sucht geführt haben und die den Alltag so schwer machen. Manchmal wird die Verantwortung auch auf den Therapeuten geschoben. Bei anderen klingt das ganz fromm: Sie warten, bis Gott Heilung schenkt. Die folgenden Schritte gehen einen anderen Weg: Sie lassen die Verantwortung für den Weg in die Freiheit ganz beim Betroffenen. Deswegen vermeiden wir auch Begriffe wie Therapie oder Heilung. Der Prozess wird eher an ein Training erinnern.

 

Der erste Schritt: Werden Sie ehrlich zu sich selbst.

Das Eingeständnis, internetsexsüchtig zu sein, fällt schwer. Anders als bei den meisten anderen Süchten sieht man einem die Internet-Sexsucht nicht an. Das macht es lange bis lebenslang möglich, unentdeckt zu bleiben. Die erste Hürde ist die Ehrlichkeit, sich einzugestehen, ein Problem zu haben. Beispielsweise lautet der erste Leitsatz der Sexoholics anonymous:
„Wir geben zu, dass wir der Begierde gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr meistern können.“

Mit einem solchen Eingeständnis erteilt man dem inneren Beschwichtigen und Bagatellisieren eine Absage. Können Sie ehrlich zu sich selbst sein und sagen: „Ja, ich bin internet-sexsüchtig!“? Das ist der erste Schritt zu einer Veränderung. Dabei ist oft nicht ausschlaggebend, ob Sie alle Kriterien einer Sucht erfüllen. Bedeutsam ist viel mehr die Erkenntnis, die Kontrolle über die eigene Sexualität verloren zu haben. Und dann bleiben Sie nicht stehen, sondern gehen Sie behutsam weitere Schritte. Wenn man Rauch im Garten des eigenen Lebens sieht, wäre es unverantwortlich, den sich anbahnenden Brand nicht zu löschen.

Der zweite Schritt: Treffen Sie eine Entscheidung.

Damit Sie etwas gegen die Sucht tun können, müssen Sie sich zuerst dazu entscheiden, sie überwinden zu wollen. Wenn Sie Christ sind und internet-sexsüchtig, können Sie diese Sucht Gott anvertrauen und seine Vergebung annehmen. Doch auch dann werden Sie eine Entscheidung fällen müssen. Vielleicht hilft Ihnen folgenden Bibelvers dabei: „Lasst nicht die Sünde euer Leben beherrschen“ (Römer 6,11). Manchmal fällt diese Entscheidung schwerer als man denkt. Denn man leidet nicht nur unter der Sucht. Die Sucht hat auch eine wichtige Funktion in unserem Leben. Manchmal hilft hier ein Blick in das eigene Herz: Weswegen fällt es mir schwer, mich auf ein Leben ohne Pornografie und ggf. ohne Masturbation einzulassen? Was spricht für ein pornofreies Leben? Was spricht aber eigentlich (unbewusst) auch dagegen?

Der dritte Schritt: Lassen Sie sich begleiten.

Aus der Suchttherapie stammt der Satz: „Du bist so krank wie deine Geheimnisse.“ Es ist entlastend, mit einer Person Ihres Vertrauens zu reden. Gemeinsam können Sie sich über die Hintergründe der Sucht Klarheit verschaffen und Strategien zur Veränderung entwerfen. Sehr hilfreich ist auch, wenn der Süchtige dem Begleiter Rechenschaft über die Entwicklung seiner Veränderung, aber auch über seine Niederlagen ablegt. Wir bieten auch einen intensiven Online-Ausstiegsworkshop an sowie ein bundesweites Beratungsstellennetzwerk.

Der vierte Schritt: Nehmen Sie sich Zeit.

Eine Lebensveränderung geschieht nicht über Nacht. Alte Gewohnheiten abzulegen und einen neuen Lebensstil einzuüben, dauert Monate. Der Prozess gleicht bei den meisten Menschen eher einem Training als einer Therapie. Je nach individueller Ausgangslage braucht man unterschiedlich lange, um neue Alltagsroutinen zu erarbeiten. Das hängt davon ab, welche Ursachen die Sucht hat, wie lange sie schon anhält und wie stark sie ausgeprägt ist. Haben Sie also Geduld mit sich selbst, aber bleiben Sie auch am Ball und nutzen Sie das nicht als Ausrede für erneuten Konsum.

Der fünfte Schritt: Entlarven Sie Lebenslügen.

Während eines Beratungsprozesses werden oft auch Lebenslügen deutlich, die eine Umkehr erschweren können, zum Beispiel: „So wie mir geht es doch allen.“ „Sexuelle Bedürfnisse kann man nicht steuern.“ „Onanie tut niemandem weh.“ „Ich finde eh nie einen Partner.“ Solange Sie an diesen Lebenslügen festhalten, wird sich nichts verändern. Sie müssen entdeckt und neu formuliert werden. Gründe für diese Lebenslügen finden Sie mithilfe eines Beraters in Ihrer Lebensgeschichte, die Sie Stück für Stück aufarbeiten.

Der sechste Schritt: Arbeiten Sie an den Hintergründen.

 

Dies ist der umfassendste Schritt und ungefähr das, was in einer seelsorgerlichen Beratung passieren sollte. Hier hilft, wenn Sie einmal gründlich die Ursachen und die gegenwärtigen Suchtfunktionen unter die Lupe genommen haben. Sie zu durchschauen, weist zugleich die Strategien für den eigenen Weg in die Freiheit. Oft müssen diejenigen Lebensumstände und Haltungen angeschaut werden, die für die unangenehmen, negativen Gefühle ursächlich sind (A). Oft müssen auch neue Strategien und Routinen erarbeitet werden, wie mit negativen Gefühlen alternativ umgegangen werden könnte (B), damit die Dominanz der im Suchtgedächtnis abgespeicherten Mechanismen reduziert wird. Vielen Betroffenen helfen auch technische Hilfsmittel und Rechenschaftspflichten. Viele müssen die Umstände, die das Ritual beginnen lassen, wahrnehmen lernen und sich die eigenen Zugänge erschweren (C). All das bliebe aber an der Oberfläche, wenn man nicht nach den tieferliegenden Motiven und Sehnsüchten schaut (D). Wozu wird überhaupt Pornografie konsumiert? Welche verborgenen Sehnsüchte werden beantwortet? Wo muss das eigene Leben umgestaltet und angepackt werden, damit Lebensglück und Zufriedenheit zunehmen? Welche Aspekte der eigenen Lebensgeschichte gilt es zu bearbeiten?

Seelsorge hat mir geholfen, mein System zu durchschauen. Ich merke jetzt früh, wenn ich gefährdet bin.  Meist ist das in Zeiten großer Anforderungen auf Arbeit, wenn zugleich die Anerkennung gering ist. Bevor ich dann nach Hause gehe, definiere ich Alternativen meiner Selbstfürsorge. Wenn man so will, habe ich gelernt, vorausschauend zu fahren. In dem ganzen Prozess habe ich viel über mich gelernt.

Ralf. 42

Wenn all das nichts hilft...

Falls die eigenen Bemühungen erfolglos bleiben, kann es angeraten sein, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das kann der Psychotherapeut, Sexual- oder Suchtberater sein. Leider halten manche dieser professionellen Helferberufe Pornografiesucht für eine Bagatelle. Beharren Sie daher auf Ihrem Wunsch, eine Suchtanamnese durchzuführen. Manchmal kann auch die Inanspruchnahme der Beratung eines (christlichen) Lebensberaters der bessere Schritt sein. Möglich wäre auch der Weg zu einer Selbsthilfegruppe. Gern weisen wir an dieser Stelle nochmals auf unseren Online-Workshop  und unser Beratungsstellennetzwerk hin.

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