Eltern klären auf

Eine gute Sexualaufklärung ist auch heute nicht selbstverständlich! Viele Eltern blicken selbst auf keine gute Aufklärungserfahrung zurück. Sie fühlen sich nicht sprachfähig und oft auch unsicher, was in welchem Alter angemessen ist. Gibt es von klein auf keine gemeinsame Sprachebene, herrscht oft Schweigen oder es kommt zu peinlichen Situationen, wenn Dinge angesprochen werden.

Auf dieser Seite geben wir Hilfestellungen, wie Sie Ihre Kinder in Sexualfragen gut aufklären können. Wir laden Sie ein, sich unsere Hilfestellungen zum Thema Sexualaufklärung anzusehen und weisen Sie auf hilfreiche Materialien und Aufklärungsseminare hin.

Vielen Eltern fällt es nicht leicht, mit ihren Kindern über Fragen der Sexualität ins Gespräch zu kommen. Dr. med. Ute Buth, Frauenärztin und Fachreferentin des Weißen Kreuzes, hat ein Seminarangebot entwickelt, das Eltern und Erziehenden hilft, in Sachen Sexualität sprachfähig zu werden und Kinder offen, respektvoll und altersgerecht aufzuklären. Wie sie das macht? Das erklärt Sie Ihnen am besten selbst.

Sexualaufklärung von Anfang an

Sexuelle Lerngeschichte

Jeder Mensch hat seine ganz individuelle Prägung und damit auch eine einzigartige sexuelle Lerngeschichte: Alles, was wir in Sachen Sexualität lernen, speichern wir ab: Sachinformationen, Bilder, schöne / unschöne Erfahrungen, Sexual-Aufklärung, Freundschaften, Körpererfahrungen, Schmetterlinge im Bauch, Bücherfunde, Internetseiten, Chaterlebnisse, schlechte Gefühle, Beobachtungen, Filme u.v.m.: Mit der Zeit legen wir alle uns bewusst und unbewusst eine ganz schön große Sammlung zu, und das unabhängig davon, ob wir Sex aktiv leben oder nicht!

Was haben wir z. B. als Babys oder Kleinkinder generell über Körperkontakt gelernt? Was tut uns gut, was empfinden wir als unschön? Selbstverständlich ist es auch von Bedeutung, wie in unserer Herkunftsfamilie über Sexualität gesprochen oder eben nicht gesprochen wurde. All dies prägt unser Verständnis von Sexualität., und natürlich auch unsere Fähigkeit und Bereitschaft, unser Wissen in der Sexualaufklärung weiterzugeben.

Diese Datensammlung kann man sich als eine Art Webteppich vorstellen, der lebenslang gewebt wird und sehr unterschiedliche, ganz persönliche Muster hat. Im Unterschied zu einer Computerfestplatte kann man nicht eines Tages mal drüber schauen und sagen, bestimmte Inhalte will ich nicht mehr haben, die markiere ich jetzt und lösche sie einfach. Wir sprechen ja von Lernprozessen in unserem Gehirn. Vieles hat sich tief eingeprägt und gehört nun erst mal zur eigenen sexuellen Lerngeschichte dazu. Neue Fäden aber können wir immer einweben, manchmal auch alte Fäden auslaufen lassen. Unsere sexuelle Lerngeschichte ist lebenslang in Entwicklung. Unabhängig davon, wo jeder einzelne steht: Wichtig für uns alle ist, dass wir lernen, gut und verantwortungsvoll mit unserer Sexualität umzugehen. Das gilt natürlich auch für Kinder. Sex ist etwas sehr Intimes. Nirgendwo kommt man einem anderen Menschen derart nahe. Sex ist etwas ganz Persönliches, was weit über die Ebene einer Körpererfahrung hinaus geht. Und gleichzeitig verkauft sich Sex gut – Sex sells – degradiert Sexualität zur Werbe-Ware. Benutzt jemand andere Menschen nur für seinen eigenen sexuellen Kick, kann das sein Gegenüber sehr verletzen.

Wir wollen, dass unsere Kinder ein positives Verhältnis zu ihrer Sexualität entwickeln und gleichzeitig selbstbewusst Grenzen setzen können, wenn andere ihnen zu nahe treten. Und wir wissen, dass sich das nicht von selbst ergibt. Auch wenn es uns von Haus aus nicht leicht fällt, haben wir uns daher entschieden, mit unseren Kindern über diese Themen ins Gespräch zu kommen.

Manuela und Jörg

Kindergartenalter

Am besten gelingt die Sexualaufklärung im Kindergartenalter, wenn man schon kleine Kinder mit wesentlichen Informationen in alltäglichen Lebenssituationen vertraut macht, etwa so: „Kinder wohnen zu Beginn ihres Lebens im Bauch der Mutter.“ oder „Wenn ein Kind entsteht, dann geben Vater und Mutter einen Teil dazu. Das kann man auch daran merken, dass sie ihren Eltern mehr oder weniger ähnlich sehen. Du hast zum Beispiel die Augen von Mama und die Haarfarbe von Papa geerbt.“ oder „Der Raum im Bauch der Frau, in dem Babys heranwachsen, ist das Zimmer Gebärmutter. Das ist auch ein Schwimmbad, damit die Babys sich immer gut bewegen können.“

In ihrem Aufklärungsbilderbuch „Erklärt mir mal, wo komm ich her?“/ „Tell me, how did I get here?“ baut unsere Fachreferentin Dr. Ute Buth bewusst diese Brücken. Kinder lernen die richtigen Fachbegriffe über Begriffe, die sie bereits einordnen können. Dieses Grundwissen kann in seinen ersten Anfängen schon früh vermittelt werden. Es ist wichtig, dass die Kinder lernen, die Geschlechtsorgane beim Namen zu nennen. Und zwar nicht in Form einer aufgesetzten „Anatomie“-Stunde, sondern ganz selbstverständlich im Alltag, z. B. beim Waschen: „Beim Jungen gibt es den Penis und die Hoden, Mädchen haben eine Scheide und Genitallippen.“ Das ist auch deshalb wichtig, damit Kinder, die sexualisierte Gewalt erleben, zumindest in der Lage sind, deutlich zu machen, was geschehen ist. Wichtige Grundsteine zur Prävention können Eltern legen, die das kindliche Nein, besonderes was deren Körper angeht, wo dies möglich ist, auch respektieren. Beispielweise sollte der Verwandtenkuss nicht erzwungen, die kindliche Scham nicht lächerlich gemacht werden.

Selbstbefriedigung und Doktorspiele

Kinder sind kleine Entdecker und Eroberer. Sie erforschen ihre Welt – und ihren Körper. Wie funktioniert dieser? Wie kann ich pfeifen? Bekomme ich meinen Zeh noch bis zur Nase? Wie lange kann ich die Luft anhalten? Es ist ganz natürlich und verständlich, dass sich Kinder auch mit ihrem eigenen Geschlecht beschäftigen und dabei möglicherweise auch lustvolle Gefühle entdecken. Immerhin können diese Organe schon von Anfang an fühlen. Allerdings sollten Kinder lernen, dass es einen Intimbereich gibt. Selbstbefriedigung gehört nicht in die Öffentlichkeit oder zum Geburtstagskaffeetrinken.

Schon zweijährige Kinder entdecken, dass es nicht nur das eigene Geschlecht gibt. Auch hier ist die kindliche Neugierde zunächst mal völlig verständlich. Wenn sogenannte Doktorspiele gespielt werden, dienen sie oft dazu, das Wissen über das andere und ggf. auch das eigene Geschlecht zu festigen. Kinder sind noch nicht empathiefähig, es kann sein, dass sie im Eifer des Geschehens übers Ziel hinausgehen oder Grenzen von anderen nicht achten.  Auch hier ist das Erlernen und Schützen des eigenen Intimbereichs wichtig. Eltern sollten auf dem Radar haben, dass teils Medien eine Rolle bei diesen Spielen haben können, so landen womöglich Bilder von nackten Genitalien auf Speicherkarten. Daher ist es wichtig, dass Kinder früh lernen, keine Nacktfotos zu machen bzw.zu teilen.

Grundschule

Kinder im Grundschulalter erfahren, wie sich ein Baby im Mutterleib entwickelt, wie es geboren wird, aber auch wie es in den Bauch hineingekommen ist: „Wenn Erwachsene sich sehr liebhaben, zeigen sie sich ihre Zuneigung auf eine besondere Weise. Sie streicheln und küssen sich nicht nur. Erwachsene können sich ihre Liebe noch auf eine andere Art zeigen: Der Mann steckt seinen Penis in die Scheide der Frau. Das finden beide schön. Wenn gerade eine Eizelle im Körper der Frau vorbereitet ist, kann eine Samenzelle des Mannes diese befruchten. Dann entsteht ein neuer Mensch, die Frau erwartet ein Baby. Aus Mann und Frau werden Vater und Mutter.“

Auch die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen ist im Grundschulalter Thema. Dies ist vor allem auch deshalb wichtig, damit die Kinder auf die bevorstehenden Körperveränderungen vorbereitet sind: Mädchen sollten wissen, dass die Regelblutung irgendwann einsetzen wird, und nicht davon überrascht werden. Jungen haben ihren ersten Samenerguss meist nachts als feuchten Traum. Wenn sie nichts davon wussten, können sie dieses Geschehen nicht einordnen. Sie denken dann womöglich beschämt, sie hätten in die Unterhose gemacht.

Spätestens im Grundschulalter müssen Kenntnisse im Umgang mit dem Internet und dem Schutz der Privatsphäre vermittelt werden. Social Media lockt mit der Möglichkeit, soziale Kontakte zu pflegen. Viele Apps zielen bewusst auf das Dopamin-Belohnungssystem ab, um Nutzer möglichst lang online zu halten. Die Australische Regierung hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, social Media erst ab 16 zu ermöglichen.

Kinder im Grundschulalter sollten zudem lernen und darin bestärkt werden, Grenzen zum Beispiel in Bezug auf ihren Körper zu setzen, Nein zu sagen und sich notfalls Hilfe zu suchen, falls sie Übergriffe erleben. Eine sehr gute Basis legt dabei die Theaterpädagogische Werkstatt mit dem Stück „Mein Körper gehört mir“. Dieses Theaterstück mit zwei Theaterpädagogen kann in Grundschulen für die  3. und 4. Schulklassen aufgeführt und vom Lehrpersonal begleitet werden.

Pre-Teens und Teens: Weiterführende Schule – Pubertät

Nun wird es konkret. Körperveränderungen in der Pubertät sind für die Heranwachsenden kein theoretischer Unterrichtsstoff mehr. Alles kann nach und nach live am eigenen Körper erfahren werden. Sogar das Gehirn wird in dieser Zeit zu einer Großbaustelle. In dem Buch „Warum sie so seltsam sind – Gehirnentwicklung von Teenagern“ wird eindrücklich gezeigt, was dort im Gehirn geschieht und welchen Einfluss es auf Teenager hat. In einer Zeit, in der die Fruchtbarkeit erwacht, Schwangerschaften schon möglich sind und gleichzeitig die Hormone oft Samba tanzen, ist es besonders wichtig, dass Jugendliche gut aufgeklärt durchs Leben gehen.

Wer sich schon vor langer Zeit zu diesen Themen als nicht ansprechbar gezeigt hat, wird jetzt vielleicht schmerzlich feststellen, dass nun andere Ratgeber gefragt sind, etwa die Peer-Group oder einschlägige Webseiten. Nichtsdestotrotz – wenn Sie das nun vielleicht erst erkannt haben, müssen Sie das Gespräch darüber nicht per se abschreiben. Vielleicht positionieren Sie sich neu und  sagen, dass Sie inzwischen anders darüber denken und es respektieren, wenn Sie dennoch nicht gefragt sind. Denn die Pubertät ist ja gerade die Zeit, in der die Wertevorstellungen der Eltern, die früher im Kindesalter oftmals einfach übernommen wurden, hinterfragt und vielfach neu geordnet und über Bord geworfen werden. (Manches wird dann später auch wieder zurück ins Boot geholt. Wie stark die Abgrenzung und Auseinandersetzung verläuft, ist individuell sehr unterschiedlich. An sich gehört sie aber naturgemäß in die Pubertät, auch das kann Eltern und Pubertierenden bei der Einordung des Geschehens helfen.)  Wir sind keine Kopie unserer Eltern. Jeder von uns, tut gut daran, sein persönliches Profil zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen. Gott hat in jeden von uns einzigartige Begabungen, Interessen, Charaktereigenschaften hineingelegt. Uns gab es noch nie und wird es auch nie wieder so geben. Wir sind Unikate! Auch deshalb ist diese Zeit für Teenager besonders wichtig.

Ebenfalls bedeutsam ist der Wunsch von Teenagern, als solche wahrgenommen zu werden, die – unterwegs auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen – ihr Leben meistern können, die „klarkommen“. Es ist wertvoll, wenn  Teenager Eltern Gesprächsbereitschaft signalisieren: „Wenn Ihr mal nicht weiterkommt oder denkt, Ihr hättet einen Fehler gemacht, sind wir immer für Euch ansprechbar. Bitte handelt dann nicht überstützt und setzt womöglich gleich die nächste Reaktion drauf, lasst uns in Ruhe sprechen und überlegen, was man jetzt tun kann…“

Ich finde, alle, die eine Verantwortung für die Erziehung haben, müssen bei der Aufklärung gut zusammenwirken. Damit Kinder und Jugendliche rechtzeitig das notwendige Wissen haben, aber auch Werte und Lebensziele entwickeln können.

Bianca, 25

Schutz vor sexuellem Missbrauch

Scham und Schamgefühl

Das Schamgefühl signalisiert uns, wo zum Beispiel Nacktheit okay ist und wo wir unseren Körper schützen sollten. Es ist nicht nur kulturell beeinflusst, sondern auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich in der Art wie es persönlich wahrgenommen wird, auch innerhalb einer Familie. Scham kann Beschämung bedeuten und damit negativ konnotiert sein oder eine Schutzfunktion einnehmen. In ihren sexuellen Lerngeschichten haben Menschen Sexualität teils als schmutzig kennengelernt und auf ihre Fragen wurde beschämend reagiert. Es kann hilfreich sein, sich diese Lerngeschichten mal in Ruhe oder mit Begleitung in einer Fachberatung näher anzuschauen, um dies einordnen zu können und zu entscheiden, wie man sich zu diesem Thema heute verhalten möchte – für die eigene Sexualität – aber auch für die Aufklärung von Kindern.

 

Kinder stärken

Sexuell übergriffige Menschen suchen sich gern Opfer, die sie als schwach oder bedürftig wahrnehmen. Kinder, die in jungen Jahren schon gelernt haben, selbstbewusst aufzutreten und auf ihre Grenzen besonders mit Blick auf ihren Körper zu achten, sind besser geschützt. Auch wenn es keinen absoluten Schutz vor Übergriffen gibt. Achten Sie als Eltern darauf, das kindliche Nein, besonders wenn es den Körper der Kinder betrifft, wo es möglich ist zu respektieren. Fördern Sie die Eigenständigkeit Ihres Kindes. Klären Sie Ihre Kinder auf. Auch das ist eine wichtige Präventionssäule! Kinder, die sprachfähig sind und gut aufgeklärt wurden, sind für sexuell übergriffe Personen unattraktiver.  

Besprechen Sie mögliche Verhaltensweisen im Notfall oder in unklaren Situationen. Was machst Du, wenn ich Dich von der Schule abholen wollte und komme nicht? Bei wem darfst Du ins Auto steigen, bei wem nicht? Wenn Du nach Hause kommst und keiner ist da, was solltest Du dann tun? Was kannst Du tun, wenn Du bezüglich eines Menschen ungute Gefühle oder Erlebnisse hast? Erweisen Sie sich als ansprechbar!

Gute und schlechte Geheimnisse

Kinder lieben Geheimnisse. Geheimnisträger zu sein ist hoch spannend und wertet in ihren Augen einen Menschen oft auf. Doch es gibt nicht nur Geheimnisse, die mit diesen guten Gefühlen verbunden sind. Wenn ein Geheimnis jemandem buchstäblich Bauchschmerzen macht, ist es ein schlechtes Geheimnis, das man immer jemandem anvertrauen sollte, auch wenn man vorher zur Verschwiegenheit verpflichtet wurde. Meist üben Täter auf Kinder Druck aus, das Geschehen keinesfalls zu offenbaren. Kinder müssen wissen, dass sie immer mit Sorgen zu ihren Eltern kommen können – ganz besonders auch dann, wenn sie Regeln übertreten haben, wie z. B. keine Süßigkeiten von Fremden anzunehmen. Ein Kind, das auf diese Offenlegung Strafe erntet, wird wohl kein zweites Mal den Mut aufbringen, sich seinen Eltern in einer ähnlichen Situation anzuvertrauen. Darum ist es wichtig, den Fokus auf den Mut zu legen, sich Hilfe zu suchen und erst später miteinander zu überlegen, was dem Kind zukünftig hilft, sich an Spielregeln zu halten.

Liebe braucht Verbündete

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