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Liebe und Sexualität als Thema in der Gemeinde
Eine „Kultur des Ermahnens“ entwickeln
Sexualethische Fragen werden in christlichen Gemeinden oft besonders heiß diskutiert. Die einen wehren sich dagegen, dass sich ihre Glaubensgeschwister in ihr Privatleben einmischen. Die anderen verweisen darauf, dass man sich doch gegenseitig ermahnen soll (Kolosser 3,16a). Manche hören einen gut gemeinten Ratschlag als Verurteilung. Andere haben Sorge, dass der Hinweis auf die Gnade leichtfertig machen könnte.
Von Jesus lernen
Es lohnt sich, einmal einen Vergleich anzustellen zwischen Jesus und den Pharisäern, die zu seinen schärfsten Gegnern gehört haben. In der Ethik unterschied sich Jesus nämlich kaum von ihnen. Er legte wie sie Wert darauf, dass Gottes Gebote beachtet werden, sogar mit größerer Strenge (Matthäus 5,18-20). Aber er ging völlig anders mit denen um, die diesem Maßstab nicht gerecht wurden. Die Pharisäer hielten sich etwas auf ihren Gehorsam zugute und lehnten die Gemeinschaft mit allen ab, die es nicht so genau nahmen (vgl. Lukas 18,9-14). Jesus dagegen suchte die Nähe gerade derer, die sich am weitesten von Gott entfernt hatten (vgl. Lukas 19,1-10). Und er warnt eindringlich davor, über andere Sünder zu richten (Matthäus 7,1-5).
Den Menschen sehen, nicht nur sein Defizit
Eine Kultur des Ermahnens kann Gottes Vision nicht im „richtenden“, sondern nur im „ausrichtenden“ Modus aufnehmen. Wir helfen einander, auf diese Vision hin zu leben. Aber wir grenzen uns nicht gegenseitig aus, wenn das nicht gelingt. Das klingt selbstverständlicher, als es ist. Die Brisanz von Entscheidungen im Bereich der Sexualität lässt Verfehlungen hier schärfer wahrnehmen als in anderen Bereichen, die der Bibel mindestens ebenso wichtig sind. Man grenzt sich bewusst oder auch unbewusst von den betreffenden Menschen ab, ohne ihnen wirklich eine Hilfe zu sein. Oft herrscht bei diesem Thema auch eine große Sprachlosigkeit. Wir wollen nicht übereinander richten, aber wir haben auch keine Sprache, die klar und zugleich wertschätzend ist.
Oft wird in Gemeinden mehr übereinander als miteinander geredet. Oder man hält solange die Klappe, bis es wirklich nicht mehr geht, und dann wird es meist richtig heftig. Mir ist es lieber, Leute sagen mir offen, was sie über mich denken, wenn sie auch meine guten Seiten wahrnehmen und ich ihnen überhaupt wichtig bin.
Bianca, 25
Offen und wertschätzend sein
Liebe und Barmherzigkeit zeigen sich nicht darin, dass wir über dieses Thema schweigen oder alles hinnehmen. Jemanden nicht auf einen offensichtlichen Irrweg hinzuweisen wäre sogar ziemlich unbarmherzig. Wir stellen uns aber nicht über den anderen, sondern bleiben uns der eigenen Unvollkommenheit bewusst. Gemeinde ist immer die Schar begnadigter Sünder, die ganz auf Jesus angewiesen sind. Jeder, der sich als Sünder weiß und bekennt, ist einer Gemeinde willkommen, die es mit dem Evangelium ernst meint (vgl. 1.Johannes 1,8).
Aufbauen und solidarisch sein
Ermahnen im Sinn des Neuen Testamentes geschieht immer im Interesse dessen, der ermahnt wird. Das entsprechende griechische Wort (parakalein) kann man genauso gut mit „ermutigen“, „motivieren“ und sogar „trösten“ übersetzen! Der andere wird nicht nur auf seine Verfehlung hingewiesen und mit dem Befund dann allein gelassen – womöglich noch mit der Bedingung: „Wenn du das geklärt hast, kannst du wiederkommen!“ Wir tragen einander auch in unserem Unvermögen, dem Entwurf Gottes zu entsprechen (Galater 6,1f). Die Sünde des anderen wird zu einer Herausforderung für mich. Ich sage nicht nur: „Du hast da ein Problem!“, sondern ich stelle mich selbst mit darunter und frage gemeinsam mit dem anderen: „Was muss geschehen, damit es bei dir anders wird? Und wie kann ich dir dabei helfen?“
Die Vision vertreten – transparent und fair
Eine „Kultur des Ermahnens“ unterscheidet klar, ob Menschen in ihrem persönlichen Leben hinter der gemeinsamen Vision zurückbleiben oder ob sie die Vision als solche in Frage stellen. In diesem Fall ist es die Aufgabe der Gemeindeleitung, für die Geltung der gemeinsamen Glaubensgrundlage einzutreten und das Gespräch zu suchen, nötigenfalls auch die Auseinandersetzung. Dies geschieht nach klaren Regeln, die allen Beteiligten bekannt sein müssen.
Vertrauen in die Verantwortlichen erhalten
Wer in der Gemeinde Verantwortung trägt, ist der gemeinsamen Vision in besonderem Maße verpflichtet. Die Glaubwürdigkeit der Gemeinde hängt davon ab, ob die Exponenten ihre Überzeugungen ein Stück weit verkörpern. Sie brauchen dabei nicht perfekt zu sein. Aber es muss erkennbar sein, dass sie dazu stehen und eingestehen, wo sie Fehler machen. Weicht jemand in seiner Lebensgestaltung klar von den Überzeugungen der Gemeinde ab, kann die Gemeindeleitung seine Mitarbeit in Frage stellen. Ob und wie weit das notwendig ist, muss im Einzelfall entschieden werden, abhängig von der Bedeutung der Aufgabe, aber auch von der Einstellung des betreffenden Mitarbeiters. Vor allem gilt das bei einer Mitverantwortung für inhaltliche Entscheidungen sowie immer dann, wenn er die körperliche und seelische Integrität ihm anvertrauter Menschen gefährdet. Natürlich muss auch ein solcher Konflikt fair ablaufen. Betroffene müssen Gelegenheit zur Stellungnahme haben und bewältigte Konflikte dürfen nicht nachträglich „warm gehalten“ werden.
Dem Neuen Testament folgen
Ein Mann nimmt zum Beispiel für sich in Anspruch, neben seiner Ehefrau auch eine Geliebte zu haben. Er ist der Meinung, dass Gott ihm das erlaubt. Zunächst muss die Frage vertraulich und persönlich angesprochen werden. Öffentlichkeit wird erst hergestellt, wenn alle vorherigen Schritte nicht zum Ziel geführt haben (Matthäus 18,15-18). Dies geschieht durch die Leitungspersonen, die dafür das Mandat der Gemeinde haben. Wenn der Betreffende in einer ungeregelten Weise sozial bestraft wird, indem man nicht mehr mit ihm spricht oder in anderer Weise ausgrenzt, ist dies selbst ein Verstoß gegen die biblische Ordnung.
Wenn Gott alle Menschen liebt, kann die Gemeinde überhaupt jemanden wegen seines Verhaltens maßregeln? Andererseits kann sie sich wohl nicht alles gefallen lassen. Also wenn jemand straffällig geworden ist, kann er auch kein öffentliches Amt mehr ausüben. Es muss nur klar sein, wo die Grenzen sind und warum. Nicht, dass über so was beim Kaffeekränzchen entschieden wird.
Patrick, 23
Gemeindeausschluss?
Ein Ausschluss aus der Gemeinde ist im Neuen Testament nur zwei Mal belegt. In dem einen Fall lag nicht nur ein besonders gravierendes Fehlverhalten, sondern außerdem völlige Uneinsichtigkeit vor (1.Korinther 5,1-5). Der andere lässt klar das Ziel erkennen, die Betreffenden zurückzugewinnen (1.Timotheus 1,20). Ein Gemeindeausschluss ist also nicht das Erste, sondern das Letzte, was in einem solchen Konflikt erwogen werden kann. Erst recht, wenn andere ethische Fragen nie zur Debatte stehen.
Fördern, nicht nur fordern
Eine Gemeinde, die das Leitbild von Ehe und Familie fördert, wird mehr tun, als nur auf den Lebensstil ihrer Glieder zu achten. Sie ist familienfreundlich, unterstützt junge Ehen und begleitet Paare solidarisch in Krisen. Sie achtet aber auch darauf, wie es denen geht, die keinen Partner haben. Wenn die Menschen im Vordergrund stehen, wird auch die Bereitschaft wachsen, sich im Fall der Fälle kritischen Fragen zu stellen.
Hilfe und Beratung finden
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